Alpen inklusive

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Die Hitze des Sommertages lässt - jetzt spätnachmittags - allmählich nach. Der Reisebus wird bepackt und die Jugendlichen suchen sich ihre Plätze in dem viel zu heißen Bus. Dort werden sie die kommende Nacht verbringen auf dem Weg nach Hause. Ich warte lieber draußen bis zur Abfahrt, denn ich werde ja sowieso noch lange genug vorne links am Steuer sitzen.

Dann geht es los, über toskanische Hügellandschaften, wo die Jugendlichen ihr Jugendlager verbracht haben, vorbei an Florenz, das in der Sonne glänzt. Der Bus klettert an den Hängen des Apennin die „Autostrada” hoch. Es ist einer der schönsten Momente beim Busfahren, wenn sich der Tag langsam neigt und die Sonne alles vergoldet, wenn dann die Temperatur im Bus erträglicher und die Stimmung der Jugendlichen angenehm ausgelassen wird.unterwegs-spiegel

Wir überqueren den Grat des Apennin und lassen gleichzeitig Sonne und Urlaubsregion zurück. Vor uns liegt die weite Ebene der Emilia Romagna, die bis zu den Alpen reicht und über uns senkt sich langsam die Dämmerung herab. Für die Jugendlichen beginnt die Zeit, einen Video zu gucken. In der Umfahrung von Milano steuere ich einen Rastplatz an und verabschiede mich mit einem letzten italienischen Caffé von Italien.

Mittlerweile ist die Nacht völlig hereingebrochen. Einige Jugendliche machen es sich gemütlich und quatschen miteinander, andere Jugendliche fallen vom Urlaub erschöpft in tiefen Schlaf. Eine lange Nachtfahrt inklusive Alpenüberquerung liegt nun vor uns, von den Bergen ist allerdings wenig zu sehen. Das offene Fenster verschafft mir am Steuer kühle Bergluft. Am Gaspedal spüre ich die Steigungen, die immer länger werden. Ich höre das gleichmäßige Brummen des Motors, der 11 Meter hinter meinem Sitz seine Arbeit macht.

So reduziert sich Geselligkeit auf die Geräusche des Motors, meine Gedanken und auf das Bild vor meinen Augen: die Straße, von der ich pro Sekunde fast 28 Meter „verschlinge”. So bin ich eigentlich ziemlich allein hier vorne - aber ich fühle mich nicht so. Denn obwohl ich die Berge nicht sehe, sind sie für mich trotzdem da, weil ich vom vielen Fahren auf dieser Strecke weiß, wo und wie sie stehen. Sie sind mir vertraut wie die Schilder und die angestrahlten Sehenswürdigkeiten. Die Straße ist für mich wie ein Zuhause, obwohl ich nicht auf ihr wohne, sondern nur auf ihr fahre. So fahre ich stundenlang und genieße es.
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„Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.” habe ich einen alten Kirchenvater namens Augustinus im Kopf. Obwohl selbst wohl kein Busfahrer gewesen bringt er damit die Erfahrung eines fast „rausch-haften Unruhestands” eines Busfahrers auf den Punkt, und das aus christlicher Sicht: Wir alle, ob Busfahrer oder nicht, tragen die Unruhe in uns. Immer wieder und gerade zur Urlaubszeit wünschen wir uns, aufzubrechen und - für kürzere oder längere Zeit - unterwegs zu sein.

Aber im Grunde sind wir nicht nur mit unseren Füßen, sondern zuallererst in unseren Köpfen „mobil”: nämlich immer auf der Suche nach so etwas wie dem allerschönsten Zuhause - und sind dann ausgerechnet in der Mobilität ein Leben lang Zuhause. Dabei haben wir Christen vor allem dieses Ziel vor Augen: die Ruhe bei Gott zu finden. So sind wir „nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh‘…der ewigen Heimat zu.” wie es in einem Kirchenlied heißt.
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Die Jugendlichen im Bus wissen wohl eher nichts von Augustinus. Allerdings habe ich oft den Eindruck, dass sie ebenso hoffen, gerade in der Mobilität etwas für ihr Leben Bedeutungsvolles zu finden. Und so spüren sie wie ich ein Kribbeln in der Magengegend, wenn ich den Busmotor starte und wir alle wieder „on the road” sind …

Bernward Lindinger